Stand: 01.03.2025
Karl-Heinz seines Zeichens Maurer in der Gesine GmbH, hat Post von Herren Hoppenstedt bekommen. Herr Hoppenstedt ist der Personalleiter der Gesine GmbH.
Mit Bangen macht Karl-Heinz die Post auf, er hat kein gutes Gefühl und befürchtet Schlimmstes, wo er doch schon so lange mit seinem Rückenleiden krankgeschrieben ist.
In diesem Brief lädt der Arbeitgeber, zum Erstaunen von Karl-Heinz, ihn zu einem so genagten BEM-Gespräch ein.
Es wird ihm in diesem Brief versichert das, dass Verfahren freiwillig sei, er bei einer Nichtteilnahme nichts zu befürchten hat und, dass der Datenschutz gesetzeskonform nach dem BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) eingehalten wird.
Herr Hoppenstedt erläutert auch sehr ausführlich, dass es darum gehe seine Arbeitsunfähigkeit zu überwinden. In einem offen Suchprozess soll geklärt werden, was mögliche Lösungen sein können, dass er mit einer planbaren Perspektive die Arbeit wieder aufnehmen kann. Selbstverständlich könne auch er Vorschläge mit einbringen, die aus seiner Sicht dazu beitragen, künftige Fehlzeiten aufgrund seiner Krankheit zu reduzieren.
Auch eine Person seines Vertrauens könne er zu dem BEM-Verfahren benennen und mitbringen.
Karl- Heinz ist „baff“. Das hätte er nicht gedacht. Er kennt so viele Kollegen, auch aus anderen Firmen, die alle sehr skeptisch über Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) reden und so etwas niemals mitmachen würden. Die Kündigung kämme ja sowieso …
Karl-Heinz macht das Richtige und wendet sich schnellstens an Kollegen Huber. Der ist der BR-Vorsitzende.
Huber liest sich das Einladungsschreiben durch und beruhigt Karl-Heinz:
Huber
Betriebsratsvorsitzender
Ja das ist alles richtig so, wie das im Schreiben steht. Schließlich gibt es ja eine Betriebsvereinbarung zum BEM im Unternehmen.
Diese Betriebsvereinbarung sieht nicht nur vor, dass das Einladungsschreiben so zu formulieren ist. Nein, auch das anstehende Erstgespräch mit dem Fallmanager oder BEM-Beauftragten sowie der Umgang mit der BEM-Akte und der Zusammensetzung des BEM-Teams. Auch die Wirksamkeitskontrolle nach dem passgenauen Finden von Lösungen sind in der Betriebsvereinbarung klar und verständlich geregelt.
Huber
spricht beruhigend
Karl-Heinz, Du brauchst nichts zu befürchten. Du kannst Dich auf das BEM-Verfahren einlassen.
Fünf Monate später kommt der Betriebsratsvorsitzende Huber auf die Baustelle, wo Karl-Heinz eingesetzt ist. Karl-Heinz hat nach seiner Reha eine Umschulung zum Kranführer erfolgreich absolviert. Diese ist von der Gesine GmbH mit Fördermitteln der Rentenkasse finanziert worden.
Im Zuge dieses Verfahrens ist deutlich geworden, dass Karl-Heinz nicht der einzige im Betrieb ist, dem berufsbedingt Rückenschäden und Leiden durch ständiges Heben von Materialien drohen. Also sind, im Zusammenhang mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement, technische Hebehilfen angeschafft worden und regelmäßige Veranstaltungen in Form von „Rückenschulungen“ mit der Krankenkasse im Ausschuss für Arbeitssicherheit (ASA) entwickelt worden.
Die Fehlzeiten bei Karl-Heinz sind aufgrund seiner Rückenprobleme so gut wie „ausgemerzt“. Seine Kollegen fühlen sich wertgeschätzt dadurch, dass es der Gesine GmbH nicht egal ist, wie es ihren Mitarbeitern geht und sie ihre Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsschutzgesetz ernst nimmt.
Diese Frage kann bejaht werden. Der Arbeitgeber ist nach § 167 Abs.2 SGB IX verpflichtet, den Arbeitnehmer, wenn er in den vergangen 12 Monaten mehr als 6 Wochen krankheitsbedingte Fehlzeiten durch längere oder verschiedene Krankheiten gebildet haben. Dazu zählen auch Arbeitsunfälle oder auch Sport- bzw. Freizeitunfälle.
Lädt der Arbeitgeber nicht zu solch einem Verfahren ein, so ist eine personenbedingte Kündigung ohne Berücksichtigung des BEM-Verfahrens nahezu unmöglich.
In jedem Fall! Die Praxis hat in gut 21 Jahren gezeigt, dass es ohne den BEM-Berechtigten nicht geht. Er steht mit seiner Person und mit seiner fehlzeitenbedingten Krankheit im Mittelpunkt des „offenen Suchprozesses“. Denn der Gesetzgeber hat die Gestaltung und den Verlauf des BEM-Geschehens bewusst offengelassen, weil jede Lösung individuell ist. Der Berechtigte nimmt freiwillig am Verfahren teil. Der BEM-Berechtigte kann eine Person seines Vertrauens (egal wen) mit zum Verfahren bringen. Dem BEM- erechtigten drohen keine negativen Konsequenzen, wenn er nicht am BEM teilnehmen möchte oder er das Verfahren mitten im Prozess abbricht. Es kann zu jeder Zeit wieder aufgenommen werden.
Aufgrund der Tatsache, dass das BEM-Verfahren nicht bis in das letzte Detail vom Gesetzgeber geregelt und mit Normen oder Vorschriften geregelt ist, fällt dem Betriebsrat die Rolle zu, ein passgenaues BEM-Rahmenverfahren für den Betrieb mit dem Arbeitgeber zu verhandeln. Dies wäre die klassische Betriebsvereinbarung oder in Zusammenarbeit mit der SBV eine Inklusions- oder auch Integrationsvereinbarung nach den §§ 166 und 176 SGB IX abzuschließen.
Die gesetzliche Grundlage findet sich im Betriebsverfassungsgesetz unter den §§ 77 Abs.2 und Abs.4., § 80 Abs.1 Nr.1 und Nr.9, § 87 Abs.1 Nr. 1 und Nr.7.
Der Betriebsrat gestaltet somit das BEM-Verfahren durch Regeln und Normen mit. Ihm fällt die Rolle zu, gefundene Maßnahmen auf Wirksamkeit hin zu überwachen und im erweiterten Suchprozess mitzuwirken, um Lösungen für den BEM-Berechtigten zu finden.
Denn vom Betrieblichen Eingliederungsmanagement können am Ende alle profitieren
Einsteigerseminar
Rechtliche Grundlagen zur gesetzlichen Verpflichtung des Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Aufbauseminar
Weitere Handlungsmöglichkeiten des BR beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)