Stand: 22.08.2025
Der Ordner lag mitten auf dem Tisch. Dick, schwer, mit einem Stempel versehen, der den Raum in eisiges Schweigen hüllte: „Vertraulich“.
Die Mitglieder des Betriebsrats starrten auf die Seiten, als hielten sie eine tickende Zeitbombe in den Händen. Je mehr sie lasen, desto deutlicher wurde: Diese Informationen waren brisant. Sie betrafen Arbeitsplätze, geplante Umstrukturierungen, die Zukunft der Kolleginnen und Kollegen.
Und doch lähmte sie ein Gedanke, der wie ein ständiges Echo im Kopf pochte: § 79 BetrVG – Geheimhaltungspflicht.
Die Angst war greifbar. Was, wenn sie diese Unterlagen weitergaben? Was, wenn ein einziges Wort gegenüber der Gewerkschaft als Verstoß gewertet wurde? Die Bilder von Abmahnungen, Kündigungen, Prozessen schoben sich unaufhaltsam in ihre Vorstellung. Der Ordner war nicht nur Papier. Er war ein drohendes Risiko.
Gleichzeitig wuchs der Druck von außen. Vor der Tür wartete die Gewerkschaft. Sie war bereit, den Betriebsrat zu unterstützen, Wissen und Rückhalt zu geben. Der Wunsch, die Unterlagen zu teilen, war überwältigend. Denn wie sollten sie die Interessen der Belegschaft schützen, wenn sie die wichtigsten Verbündeten ausschlossen?
Die Betriebsräte fühlten sich zerrissen. Auf der einen Seite die Verpflichtung zur Verschwiegenheit, auf der anderen Seite das tiefe Bedürfnis nach Zusammenarbeit. Mit jedem Blick auf die Dokumente wurde das Dilemma schärfer. Schweigen bedeutete, die Gewerkschaft außen vor zu lassen – und damit die Belegschaft schwächer zu machen. Und durch Reden … sie hatten Angst sich selbst in Gefahr zu bringen.
Die Spannung wurde unerträglich. Die Angst, einen fatalen Fehler zu begehen, hielt sie fest im Griff. Aber noch stärker war der Wunsch nach Klarheit: Wo endet die Geheimhaltung – und wo beginnt das Recht, Informationen weiterzugeben?
Genau diese Grenze mussten sie verstehen, wenn sie die Mitbestimmung nicht im Schweigen ersticken lassen wollten.
§ 79 Geheimhaltungspflicht Betriebsverfassungsgesetz
(1) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats. Sie gilt ferner nicht gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, dem Konzernbetriebsrat, der Bordvertretung, dem Seebetriebsrat und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie im Verfahren vor der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) oder einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86).
(2) Absatz 1 gilt sinngemäß für die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wirtschaftsausschusses, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der gemäß § 3 Abs. 1 gebildeten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) und einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86) sowie für die Vertreter von Gewerkschaften oder von Arbeitgebervereinigungen.
Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau als solcher und dessen Umfang kann nicht per se zu einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG deklariert werden.
Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 20.5.2015 – 3 TaBV 35/14
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